EU-Lieferketten-RL (CSDDD) beschlossen – CSDDD agreed

 

Am Ende wurde es noch einmal richtig spannend: Nachdem schon die Trilogverhandlungen zur Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) („EU-Lieferketten-RL") äußerst kontrovers waren, war bis zuletzt unklar, wie die Mitgliedstaaten sich bei der (zunächst mehrfach verschobenen) entscheidenden Abstimmung im AStV des Rates am 15. März 2024 positionieren würden. Deutschland enthielt sich letztlich, nachdem die deutschen Wirtschaftsverbände gegen den Trilog-Kompromiss Sturm gelaufen und auch die FDP sich klar dagegen positioniert hatte. Insgesamt ergab sich jedoch eine Mehrheit für den von der belgischen Ratspräsidentschaft vorgelegten, deutlich überarbeiteten Kompromissvorschlag (ST 7327/1/24 REV 1). Nun stehen noch die offizielle Zustimmung des Rates sowie des Europäischen Parlaments aus. Diese dürften jedoch „Formsache“ sein, sodass die CSDDD voraussichtlich im Laufe des Jahres im Amtsblatt veröffentlicht wird.

 

 

 

Anwendungsbereich

Der Anwendungsbereich der CSDDD wurde gegenüber dem Kommissionsentwurf (COM(2022) 71) auf den letzten Metern noch deutlich eingeschränkt.

 

 

 

Artikel

Schwellenwerte

EU-Unternehmen

Art. 2 Abs. 1 lit. a

> 1000 AN und > 450 Mio. € Nettoumsatz weltweit

Art. 2 Abs. 1 lit. b

oberste Muttergesellschaft einer Gruppe mit > 1000 AN und > 450 Mio. € Nettoumsatz weltweit

Art. 2 Abs. 1 lit. ba

bestimmte Franchising- und Lizenzkonstellationen

Drittstaatliche Unternehmen

Art. 2 Abs. 2 lit. a

> 450 Mio. € Nettoumsatz in der EU

Art. 2 Abs. 2 lit. b

oberste Muttergesellschaft einer Gruppe mit > 450 Mio. € Nettoumsatz in der EU

Art. 2 Abs. 2 lit. ba

bestimmte Franchising- und Lizenzkonstellationen

 

 

 

Zudem müssen die Vorgaben der CSDDD schrittweise umgesetzt werden: Ab 2027 für EU-Unternehmen mit mehr als 5000 Arbeitnehmern und einem weltweiten Nettoumsatz von > 1.500 Mio. € bzw. für drittstaatliche Unternehmen bei einem Nettoumsatz von > 1.500 Mio. € in der EU; ab 2028 für EU-Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmern und > 900 Mio. € Nettoumsatz weltweit bzw. für alle anderen drittstaatlichen Unternehmen bei einem Nettoumsatz von > 900 Mio. € in der EU und ab 2029 dann für die restlichen erfassten Unternehmen (vgl. Art. 30 CSDDD-E).

 

 

 

Aktivitätskette

Die „Aktivitätskette“ der CSDDD umfasst grundsätzlich nicht nur die Aktivitäten der (direkten und indirekten) vorgelagerten Geschäftspartner (upstream), sondern auch der direkten nachgelagerten Geschäftspartner (downstream); Ausnahmen gelten jedoch für die Entsorgung des Produkts sowie Fälle, in denen eine Ausfuhrgenehmigung für Dual-Use-Güter oder Waffen vorliegt (Art. 3 Abs. 1 lit. g CSDDD-E).

 

In Bezug auf regulierte Finanzunternehmen einigte man sich nach kontroverser Diskussion darauf, dass bei ihnen nur der upstream-Teil erfasst ist (vgl. ErwG 19 CSDDD-E). De facto sind die Finanzunternehmen daher weitgehend außen vor, denn ihre relevanten Kunden operieren downstream.

 

 

 

Inhalt der Sorgfaltspflichten

Im Hinblick auf die einzelnen Sorgfaltspflichten der Unternehmen in den Bereichen Menschenrechte und Umwelt hält der nun konsentierte Text im Wesentlichen am Modell des Kommissionsentwurfs fest: (i) Einbeziehung der Sorgfaltspflicht in die Unternehmenspolitik und das Risikomanagement, (ii) Ermittlung und Bewertung tatsächlicher oder potenzieller negativer Auswirkungen, (iii) Vermeidung potenzieller negativer Auswirkungen, (iv) Behebung tatsächlicher negativer Auswirkungen, (v) Beschwerdeverfahren, (vi) Überwachung, (vii) Kommunikation (vgl. Art. 4-11 CSDDD-E).

 

Im Detail gab es aber durchaus signifikante Änderungen. Hervorzuheben ist speziell der ausdrücklich risikobasierte Ansatz (vgl. Art. 4 CSDDD-E); die Unternehmen werden explizit verpflichtet, nach Stärke und Wahrscheinlichkeit der negativen Auswirkungen zu priorisieren (vgl. Art. 6a CSDDD-E).

 

Zudem gibt es nun eine „Konzernklausel“, die es den Unternehmen gestattet, die meisten Sorgfaltspflichten auf Gruppenebene zu erfüllen (Art. 4a CSDDD-E). Neu ist zudem die Pflicht zur Durchführung einer „sinnvollen Einbeziehung von Interessenträgern“ (Art. 8d CSDDD-E); dieser äußerst weit definierte Begriff umfasst nicht nur Arbeitnehmer und Gewerkschaften, sondern z.B. auch Verbraucher oder NGOs (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. n CSDDD-E).

 

 

 

Verwaltungsrechtliche Sanktionen

Als verwaltungsrechtliche Sanktionen für Verstöße gegen die nationalen Umsetzungsvorschriften ist neben Geldbußen (Höchstmaß mindestens 5 % des weltweiten Nettoumsatzes) auch ein „naming and shaming“ vorgesehen (vgl. Art. 20 Abs. 2a-4 CSDDD-E).

 

 

 

Zivilrechtliche Haftung

Im Gegensatz zum deutschen LkSG sieht die CSDDD eine zivilrechtliche Haftung vor, wenn eine Gesellschaft vorsätzlich oder fahrlässig gegen ihre Sorgfaltspflichten zur Vermeidung potenzieller und Behebung tatsächlicher negativer Auswirkungen nach Art. 7 und Art. 8 CSDDD-E verstößt (Art. 22 Abs. 1 CSDDD-E). Anders als nach dem Kommissionsentwurf ist nun aber immerhin explizit vorgesehen, dass nur gehaftet wird, wenn die verletzte Bestimmung individualschützend ist, dass die Haftung nicht zur Überkompensierung führen darf und dass eine Gesellschaft nicht haftbar gemacht werden kann, wenn der Schaden nur durch ihre Geschäftspartner in der Aktivitätskette verursacht wurde (vgl. Art. 22 Abs. 1 UAbs. 1 lit. a, UAbs. 2, Abs. 2 S. 2 CSDDD-E). Auf Betreiben des EP wurden allerdings auch einige problematische Regelungen ergänzt: So können z.B. Gewerkschaften und NGOs im Namen der Opfer als Kläger auftreten und das Gericht soll in einer Art Discovery-Verfahren anordnen können, dass das Unternehmen Beweise offenlegen muss (Art. 22 Abs. 2a lit. d, e CSDDD-E). Zudem wird bestimmt, dass Gesellschaften selbst dann haftbar gemacht werden können, wenn sie bei Branchen- oder Multi-Stakeholder-Initiativen Mitglied waren oder durch Überprüfung durch Dritte oder Vertragsklauseln die Durchführung bestimmter Aspekte ihrer Sorgfaltspflichten unterstützt haben (Art. 22 Abs. 2b CSDDD-E).

 

 

 

Übergangspläne zur Begrenzung des Klimawandels und Vergütungsregelung

Die Vorgaben für die von den Unternehmen aufzustellenden Übergangspläne (transition plans) zur Begrenzung des Klimawandels wurden gegenüber dem Kommissionsentwurf wesentlich überarbeitet. Zum einen wurden die Inhalte klarer spezifiziert und an die Vorgaben der EU-Bilanz-RL sowie der ESRS 1 zu Übergangsplänen zur Verwirklichung der Klimaneutralität angepasst (vgl. Art. 15 Abs. 1 CSDDD-E). Zum anderen ist nun erfreulicherweise vorgesehen, dass die Verpflichtung als erfüllt gilt, wenn das Unternehmen einen Übergangsplan zur Verwirklichung der Klimaneutralität nach Art. 19a, 29a bzw. 40a EU-Bilanz-RL und ESRS 1 aufstellt oder in einen solchen einbezogen ist (Art. 15 Abs. 3 CSDDD-E).

 

In letzter Minute gestrichen wurde die Verknüpfung der Übergangspläne mit der Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung (Art. 15 Abs. 3b CSDDD-COM); sie hätte einen erheblichen Eingriff in die Corporate Governance bedeutet.

 

 

 

Keine directors‘ duties

Komplett gestrichen wurde zudem der unter Corporate Governance-Aspekten höchst problematische Art. 25 CSDDD-KOM betreffend die directors‘ duties. Er hätte nicht nur einen tiefen Eingriff in die nationalen Bestimmungen über die Sorgfaltspflicht der Mitglieder der Unternehmensleitung bedeutet, sondern vor allem möglicherweise auch die Pflicht der Mitglieder der Unternehmensleitung, im besten Interesse des Unternehmens zu handeln, untergraben.

 

 

 

Fazit

Der nun beschlossene Text stellt zwar in manchen Punkten eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Kommissionsentwurf dar. Umgekehrt sind jedoch auch neue problematische Punkte hinzugekommen. Zudem hat der nun beschlossene Text schon rein handwerklich den Charakter eines typischen Patchwork-Kompromisses, der viele Unklarheiten und Zweifelsfragen aufwirft.

 

Die CSDDD ist und bleibt aber vor allem auch in der nun beschlossenen Fassung inhaltlich hoch problematisch. Ob sie überhaupt zu einer signifikanten Verbesserung des Schutzes von Menschenrechten und Umwelt führen wird, ist äußerst zweifelhaft. Es steht vielmehr zu befürchten, dass europäische Unternehmen sich im Zweifel aus „riskanten“ Märkten zurückziehen und damit entweder dringend notwendige Arbeitsplätze und Investitionen gänzlich wegfallen oder die betreffenden Betriebe und Märkte durch Unternehmen aus Drittstaaten mit wesentlich geringeren Standards übernommen werden. Sicher ist dagegen, dass auf europäische Unternehmen ganz erhebliche neue finanzielle, personelle und bürokratische Belastungen zukommen; zudem drohen enorme Haftungsrisiken. Vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Situation wäre es indes vielmehr dringend geboten, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen zu stärken und Bürokratie abzubauen.

Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M.

 

 

 

In the end, things got really exciting once again: After the trilogue negotiations on the Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) ("EU Supply Chain Directive") had already been extremely controversial, it was unclear until the very end how the Member States would position themselves in the decisive vote in the Council's Coreper on 15 March 2024 (which had been postponed several times). Germany ultimately abstained after the German trade associations took up arms against the trilogue compromise and the FDP also clearly positioned itself against it. Overall, however, there was a majority in favour of the significantly revised compromise proposal submitted by the Belgian Council Presidency (ST 7327/1/24 REV 1). The official approval of the European Parliament and the Council is still pending. However, these are likely to be a "formality", meaning that the CSDDD will probably be published in the Official Journal in the course of the year.

 

 

 

Scope of application

 

At the last minute, the scope of application of the CSDDD was significantly restricted compared to the Commission draft (COM(2022) 71).

 

 

 

 

Article

thresholds

EU companies

Art. 2(1)(a)

> 1000 employess and > 450 mio. € net worldwide turnover

Art. 2(1)(b)

ultimate parent company of a group with 1000 employess and > 450 mio. € net worldwide turnover

Art. 2(1)(ba)

certain franchising and licensing situations

third-country companies

Art. 2(2)(a)

> 450 mio. € net turnover in the EU

Art. 2(2)(b)

ultimate parent company of a group with > 450 mio. € net turnover in the EU

Art. 2(2)(ba)

certain franchising and licensing situations

 

 

 

In addition, the requirements of the CSDDD will have to be implemented gradually: From 2027 for EU companies with more than 5,000 employees and a worldwide net turnover of > € 1,500 million or for third-country companies with a net turnover of > € 1,500 million in the EU; from 2028 for EU companies with more than 3,000 employees and > € 900 million net turnover worldwide or for all other third-country companies with a net turnover of > € 900 million in the EU and then from 2029 for the remaining companies covered (see Art. 30 CSDDD draft).

 

 

 

Chain of activities

 

The “chain of activities” of the CSDDD not only includes the activities of (direct and indirect) upstream business partners, but also those of direct downstream business partners; however, exceptions apply to the disposal of the product and cases in which an export authorisation for dual-use goods or weapons exists (Art. 3(1)(g) CSDDD draft).

 

With regard to regulated financial undertakings, it was agreed after controversial discussion that only the upstream part is covered (see recital 19 CSDDD draft). Financial undertakings are therefore de facto largely excluded, as their relevant customers operate downstream.

 

 

 

Content of the due diligence obligations

 

With regard to the individual due diligence obligations of companies in the areas of human rights and the environment, the text that has now been agreed essentially retains the model of the Commission proposal: (i) integration of due diligence into corporate policy and risk management systems, (ii) identification and assessment of actual or potential adverse impacts, (iii) prevention of potential adverse impacts, (iv) remediation of actual adverse impacts, (v) complaints procedure, (vi) monitoring, (vii) communication (see Art. 4-11 CSDDD- draft).

 

However, there were significant changes in detail. In particular, the explicit risk-based approach should be emphasized (see Art. 4 CSDDD draft); companies are explicitly obliged to prioritize based on the severity and likelihood of adverse impacts (see Art. 6a CSDDD draft).

 

In addition, there is now a "group clause" that allows companies to fulfil most due diligence obligations at group level (Art. 4a CSDDD draft). Another novelty is the obligation to carry out "meaningful engagement with stakeholders " (Art. 8d CSDDD draft); this extremely broadly defined term includes not only employees and trade unions, but also e.g. consumers or NGOs (cf. Art. 3(1)(n) CSDDD draft).

 

 

 

Administrative sanctions

 

In addition to fines (maximum of at least 5 % of net worldwide turnover), “naming and shaming” is also provided for as administrative penalty for breaches of the national implementation provisions (see Art. 20(2a)-(4) CSDDD draft).

 

 

 

Civil liability

 

In contrast to the German LkSG, the CSDDD provides for civil liability if a company intentionally or negligently fails to comply with its due diligence obligations to prevent potential and remedy actual adverse impacts in accordance with Art. 7 and Art. 8 CSDDD draft (Art. 22(1) CSDDD draft). In contrast to the Commission's draft, however, it is now explicitly stipulated that liability only applies if the relevant provision is aimed at protecting individuals, that liability shall not lead to overcompensation and that a company cannot be held liable if the damage was caused only by its business partners in its chain of activities (see Art. 22(1) subparagraph 1 lit. (a), subparagraph 2, and Art. 22(2) sentence 2 CSDDD draft). However, at upon initiative of the EP, some problematic provisions were also added: for example, trade unions and NGOs can be authorised to enforce the rights of victims and the court will be able to order the company to disclose evidence in a kind of discovery procedure (Art. 22(2a)(d), (e) CSDDD draft). It is also stipulated that companies can be held liable even if they participated in industry or multi-stakeholder initiatives or used third-party verification or contractual clauses to support the implementation of  due diligence obligations (Art. 22(2b) CSDDD draft).

 

 

 

Transition plans to limit climate change and remuneration regulation

 

The requirements for the transition plans for climate change mitigation to be drawn up by companies have been significantly revised compared to the Commission draft. On the one hand, the content has been specified more clearly and adapted to the requirements of the EU Accounting Directive and ESRS 1 on transition plans for climate change mitigation (see Art. 15(1) CSDDD draft). On the other hand, it is now fortunately provided that the obligation is deemed to be fulfilled if the company draws up a transition plan for climate change mitigation in accordance with Art. 19a, 29a or 40a of the EU Accounting Directive and ESRS 1 or is included in such a plan (Art. 15(3) CSDDD draft).

 

The link between the transition plans and the remuneration of the directors (Art. 15(3b) CSDDD-COM) was deleted at the last minute; it would have meant a significant intervention in corporate governance.

 

 

 

No directors' duties

 

Art. 25 CSDDD-COM regarding directors' duties, which was highly problematic from a corporate governance perspective, was also deleted. It would not only have meant a major interference with the national provisions on the duty of care of members of the company's management, but above all would also possibly have undermined the duty of members of the company's management to act in the best interests of the company.

 

 

 

Conclusion

 

In some respects, the text that has now been adopted represents a clear improvement on the Commission's draft. Conversely, however, new problematic points have also been added. In addition, the text that has now been adopted has the character of a typical patchwork compromise, which includes many ambiguities and raises many questions.

 

Above all, the CSDDD is and remains highly problematic in terms of content, especially in the version that has now been adopted. It is extremely doubtful whether this concept will lead to any significant improvement in the protection of human rights and the environment. On the contrary, it is to be feared that European companies will withdraw from "risky" markets in case of doubt and thus either completely eliminate urgently needed jobs and investments in developing and newly industrialising countries or the operations and markets in question would be taken over by companies from third countries with significantly lower standards. What is certain, however, is that European companies will be faced with considerable new financial, personnel and bureaucratic burdens, as well as enormous liability risks. Against the backdrop of the current economic and geopolitical situation, it is far more urgent to strengthen the competitiveness of European companies and reduce bureaucracy.