Am 5. September 2023 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie für Europäische grenzübergreifenden Vereine (Directive on European cross-border associations – ECBAD) veröffentlicht (COM(2023) 516).
Nachdem ein erster Versuch zur Schaffung eines Europäischen Vereins in den 1990er Jahren fehlschlug, probiert die Europäische Kommission nun einen anderen Ansatz, um die grenzüberschreitenden
Aktivitäten von Vereinen in der EU zu erleichtern: Sie will eine zusätzliche Rechtsform in die nationalen Rechtssysteme der Mitgliedstaaten einführen, die das europäische Label „European
cross-border association (ECBA)” tragen soll. Die ECBA wird also keine genuin europäische Rechtsform sein, sondern eine nationale Rechtsform, die dem durch die ECBAD harmonisierten nationalen
Recht unterliegt. Das ist im Kern derselbe Ansatz, der bereits mit dem Vorschlag für eine Societas Unius Personae (SUP) versucht wurde (welcher bekanntlich letztlich scheiterte, allerdings aus
anderen Gründen).
Die wesentlichen Eckpunkte der ECBA sind nach dem Richtlinienentwurf folgende:
- Grenzüberschreitender gemeinnütziger Zweck: Eine ECBA muss einen gemeinnützigen Zweck haben, der Gewinn darf ausschließlich für die Verfolgung dieses Zwecks verwendet werden und es darf nichts an die Mitglieder ausgeschüttet werden (Art. 3 Abs. 2 ECBAD-Entwurf); sie muss entweder Aktivitäten in mindestens zwei Mitgliedstaaten betreiben oder den satzungsmäßigen Zweck haben, dies zu tun (Art. 3 Abs. 3 ECBAD-Entwurf).
- Mitglieder: Mitglieder können natürliche Personen sein, die Unionsbürger sind oder ihren Aufenthalt rechtmäßig in der EU haben, oder Gesellschaften, die rechtmäßig in der Union errichtet wurden; Gewerkschaften, politische Parteien und religiöse Organisationen sind jedoch ausgenommen (Art. 3 Abs. 1 ECBAD-Entwurf). Es muss mindestens drei Gründungsmitglieder mit Verbindungen zu mindestens zwei Mitgliedstaaten geben (Art. 3 Abs. 3, 16 Abs. 2 ECBAD-Entwurf). Die Mitglieder haften nicht persönlich für die Handlungen oder Unterlassungen der ECBA (Art. 8 Abs. 2 ECBAD-Entwurf).
- Gründung und Eintragung: Eine ECBA kann durch eine schriftliche Vereinbarung der Gründungsmitglieder (Art. 16 ECBAD-Entwurf) oder durch Formwechsel eines nationalen Vereins (Art. 17 ECBAD-Entwurf) gegründet werden. Eine ECBA wird im nationalen Register des jeweiligen Mitgliedstaats eingetragen (dieses kann dasselbe Register sein wie für nationale Vereine) (Art. 20 Abs. 1 und ErwG 41 S. 3 ECBAD-Entwurf). Mit der Eintragung erlangt sie Rechtspersönlichkeit und Rechtsfähigkeit (Art. 5 Abs. 1 ECBAD-Entwurf).
- Governance: Die ECBA hat ein Entscheidungsgremium und ein Verwaltungsgremium (Art. 7 ECBAD-Entwurf).
- Grenzüberschreitende Mobilität: Die ECBA kann ihren Satzungssitz von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat verlegen (Art. 22, 23 ECBAD-Entwurf). Zudem dürfen die Mitgliedstaaten nicht verlangen, dass sich die Hauptverwaltung oder die Hauptniederlassung in demselben Mitgliedstaat wie der Satzungssitz befindet (Art. 15 lit. c ECBAD-Entwurf).
- ECBA-Bescheinigung: Um die grenzüberschreitende Tätigkeit zu erleichtern, wird es eine spezielle „ECBA-Bescheinigung“ geben, welche die wesentlichen Informationen über die jeweilige ECBA enthält (Art. 21 ECBAD-Entwurf) (ähnlich wie das im DigiRL II-Entwurf vorgesehene EU-Gesellschaftszertifikat).
- Finanzierung und Aktivitäten: Der ECBA-RL-Entwurf enthält zudem verschiedene Regelungen, um Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Zugang zu Finanzierung durch öffentliche Stellen sicherzustellen sowie dafür zu sorgen, dass eine ECBA im Binnenmarkt die Dienstleistungsfreiheit und die Warenverkehrsfreiheit ausüben kann (Art. 9-15 ECBAD-Entwurf).
Insgesamt ist es nachdrücklich zu begrüßen, dass die EU grenzüberschreitende Aktivitäten von Vereinen im Binnenmarkt erleichtern möchte. Der Grundansatz des Entwurfs ist sehr interessant. Viele Regelungen bauen auf Konzepten auf, die sich in anderem Kontext bewährt haben. Es gibt aber auch viele Regelungen, die noch einmal überdacht werden sollten. Unabhängig davon stellt sich generell die Frage, ob der Entwurf in der wenigen verbleibenden Zeit bis zu den nächsten Europawahlen im Juni 2024 das Gesetzgebungsverfahren überhaupt noch vernünftig durchlaufen kann.
Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M.
On 5 September 2023, the European Commission published a proposal for a Directive on European cross-border associations (ECBAD) (COM(2023) 516).
After a first attempt to create an European Association in the early 1990s failed, the European Commission is now trying a different approach to facilitate cross-border activities of non-profit
associations in the EU: It wants to introduce an additional legal form into the Member States’ national legal systems which will bear the European label “European cross-border association
(ECBA)”. Hence, the ECBA will not be a genuine European legal form, but a national legal form governed by national law harmonised by the ECBAD. Basically, this is the same approach already tried
with the proposal for a Societas Unius Personae (SUP) (which ultimately failed, but for other reasons).
According to the ECBAD proposal, the key elements of the ECBA are:
- Cross-border non-profit purpose: An ECBA shall have a non-profit purpose and any profits shall be used exclusively for the pursuit of its objectives without any distribution among its members (Art. 3(2) ECBAD proposal); it shall carry out or have in its statute the objective to carry out activities in at least two Member States (Art. 3(3) ECBAD proposal).
- Members: Members may be natural persons that are Unions citizens or legally resident in the EU or legal entities with a non-profit purpose legally established in the Union (but trade unions, political parties and religious organisations are excluded) (Art. 3(1) ECBAD proposal); there must be at least three founding members (Art. 16(2) ECBAD proposal) with links to at least two Member States (Art. 3(3) ECBAD proposal). The members are not personally liable for acts or omissions of the ECBA (Art. 8(2) ECBAD proposal).
- Establishment and registration: An ECBA can be constituted by a written agreement of the founding members (Art. 16 ECBAD proposal) or by conversion of a national non-profit association (Art. 17 ECBAD proposal). An ECBA is registered in the national register of the relevant Member State (which may the same register as for national associations) (Art. 20(1) and recital 41 sentence 3 ECBAD proposal). Upon registration, it acquires both legal personality and legal capacity (Art. 5(1) ECBAD proposal).
- Governance: The ECBA has a decision-making body and an executive body (Art. 7 ECBAD proposal).
- Cross-border mobility: The ECBA can transfer its registered office from one Member State to another Member State (Art. 22, 23 ECBAD proposal). Moreover, Member States must not require that its central administration or its principal place of business are in the same Member State as its registered office (Art. 15(c) ECBAD proposal).
- ECBA certificate: In order to facilitate cross-border operations, there will be a special “ECBA certificate” which contains the essential information about the ECBA (Art. 21 ECBAD proposal) (similar to the EU Company Certificate provided for in the DigiD II proposal).
- Funding and activities: The ECBAD proposal also contains various rules to ensure equal treatment, non-discrimination, access to funding from a public course as well as to ensure that an ECBA can enjoy the freedom to provide services and exercise the free movement of goods in the internal market (Art. 9-15 ECBAD proposal).
Overall, it is very welcome and laudable that the EU is trying to facilitate cross-border activities of associations in the internal market. The proposal’s general approach is very interesting,
and many provisions are built on rules working well in other contexts. But there are also many provisions which might be well worth rethinking. Apart from that, getting the proposal through the
ordinary legislative procedure before the next elections for the European Parliament in June 2024 will be a challenge anyway.